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Mittwoch, 14. Februar 2007

«Holzklasse» statt Chefarztbehandlung

Hamburg/Bonn (dpa/gms) - Während die private Krankenversicherung (PKV) bisher vor allem gut verdienenden und gesunden Menschen offen stand, soll sich nach dem Inkrafttreten der Gesundheitsreform theoretisch jeder Bundesbürger privat versichern können.


Hamburg/Bonn (dpa/gms) - Während die private Krankenversicherung (PKV) bisher vor allem gut verdienenden und gesunden Menschen offen stand, soll sich nach dem Inkrafttreten der Gesundheitsreform theoretisch jeder Bundesbürger privat versichern können.

Doch in der Praxis wird das nicht unbedingt zu Vorteilen führen, befürchten Experten: So könnte der geplante neue Basistarif wohl eher die «Holzklasse» der PKV werden, und die Unternehmen kündigen schon jetzt Beitragserhöhungen an. Verbraucherschützer raten daher zum Abwarten.

Eigentlich klingt es verlockend: Ab 2009 sind die Versicherer laut Bundesgesundheitsministerium «verpflichtet, einen Basistarif zu bezahlbaren Prämien anzubieten». Der Leistungskatalog muss mit dem der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vergleichbar sein. Die Beiträge dürfen die Höchstbeträge der gesetzlichen Kassen - derzeit rund 500 Euro im Monat - nicht überschreiten. Ablehnen dürfen die privaten Versicherer im Basistarif niemanden, die Gesundheitsprüfung entfällt.

Die bislang in der PKV Versicherten dürfen allerdings nur in einem schmalen Zeitfenster von sechs Monaten ab dem 1. Januar 2009 in den Basistarif wechseln - oder dann, wenn sie in finanzielle Not geraten. Schon vom 1. Juli 2007 an müssen die Versicherungen aber Menschen aufnehmen, die gar nicht versichert sind - jedenfalls dann, wenn diese früher in der PKV waren oder selbstständig tätig sind. Sie werden dann in den so genannten Standardtarif aufgenommen, der ab 2009 mit dem Basistarif verschmilzt. «Den gibt es jetzt schon», sagt Dörte Elß von der Verbraucherzentrale Berlin. «Ohne Not allerdings wechselt da keiner rein.»

Denn der Standardtarif, in den bislang nur über 55-Jährige Versicherte wechseln können, sieht für ärztliche Leistungen nur Gebühren bis zum 1,7-fachen Gebührensatz vor - und nicht wie für andere Privatpatienten bis zum 2,3-fachen Satz. «Da kann es sein, dass der Arzt Sie gar nicht behandelt», sagt Elß. Die Patientenberaterin empfiehlt daher PKV-Versicherten, die ihren bisherigen Tarif nicht mehr bezahlen könnten: «Lieber den normalen Versicherungsumfang behalten und bei einzelnen Leistungen abspecken» - etwa beim Einzelzimmer oder bei der Chefarztbehandlung.

Der künftige Basistarif sieht eine Vergütung nach dem 1,8-fachen Satz vor - nur wenig mehr als im jetzigen Standardtarif. Seine Leistungen sind dagegen nach Angaben des Verbandes der Privaten Krankenversicherung voraussichtlich umfangreicher: «Im Standardtarif sind Reha- und Kurleistungen zum Beispiel nicht mit drin», erläutert PKV-Sprecher Oliver Bauer in Bonn. Genaue Regelungen werden aber derzeit erst erarbeitet. Trotz aller Kritik des PKV an der Reform sieht er im Basistarif auch einen kleinen Vorteil für die Versicherten: «Manche zahlen heute 750 bis 800 Euro im Monat - die können ihre Beitragslast dann senken.»

Doch genau das könne für alle Versicherten zum Problem werden: Je mehr Menschen den Basistarif in Anspruch nehmen, desto größer werde die Belastung für die Versichertengemeinschaft, sagt Bauer. «Bis zu zehn Prozent Beitragssteigerung» seien wahrscheinlich. Verbraucherschützerin Elß sieht dagegen noch deutlich höhere Beiträge auf die Privatversicherten zukommen - übrigens auch ohne die Gesundheitsreform. «Laut einer Untersuchung der Stiftung Warentest verdoppeln sich die Beiträge durchschnittlich alle zehn Jahre.»

Grundsätzlich rät Elß vom Wechsel in die PKV ab - allerdings mit Ausnahmen: «Für Beamte rechnet sich das immer.» Auch für Selbstständige könne die PKV eine Alternative sein. Doch ansonsten sollten gesetzlich Versicherte nur dann in eine private Krankenversicherung wechseln, «wenn sie jung und gesund sind, niemals eine Familie gründen wollen und alle gesparten Beiträge für das Alter aufsparen». Schließlich müssten Ehepartner in der PKV voll versichert werden, und im Alter stiegen die Beiträge enorm an.

Doch ohnehin erschwert die Reform den Wechsel von der GKV in die PKV. Seit dem 2. Februar 2007 müssen Versicherte nachweisen, dass sie drei Jahre ununterbrochen über der Jahresarbeitsentgeltgrenze lagen, also pro Jahr mehr als 47 700 Euro brutto verdient haben. «Vorher mussten Versicherte nur ein Jahr nachweisen», erläutert Bauer.

Der Wechsel zwischen einzelnen privaten Krankenversicherungen wird dagegen erleichtert. Allerdings ist auch er nur zwischen dem 1. Januar und 30. Juni 2009 möglich - jedenfalls dann, wenn die Versicherten die angesparten Altersrückstellungen mitnehmen wollen. Was das für die Versicherten dann bedeutet, ist nach einhelliger Ansicht der Experten noch nicht abzusehen. Sicher ist laut Karl Eberhardt vom Bundesverband der Versicherungsberater in Bonn nur eines: «Mit jeder neuen Reform steigt der Beratungsbedarf.»

 

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