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Stichwörter: DemütigungenPsychotherapie
Mittwoch, 14. November 2007

Gewalt in der Beziehung: Demütigungen machen oft den Anfang

Berlin/Bonn (dpa) - Es ging um eine Kleinigkeit. Rückblickend erinnert sich Alexandra aus Berlin nicht einmal mehr, worüber sie sich mit ihrem Freund gestritten hatte. Sie standen streitend im Flur, plötzlich öffnete er die Tür und schubste sie ins Treppenhaus.


Oft schweigen misshandelte Frauen aus Angst vor Konsequenzen. (Bild: dpa/tmn)

Berlin/Bonn (dpa) - Es ging um eine Kleinigkeit. Rückblickend erinnert sich Alexandra aus Berlin nicht einmal mehr, worüber sie sich mit ihrem Freund gestritten hatte. Sie standen streitend im Flur, plötzlich öffnete er die Tür und schubste sie ins Treppenhaus.

Dann schlug er die Tür zu. «War das nun gewalttätig?», schoss es ihr gleich durch den Kopf. «Ja», sagt die Psychotherapeutin Gisela Dreyer aus Bonn: «Auch Demütigung ist eine indirekte Art von Gewalt.»

Körperliche Gewalt schleiche sich meist langsam, fast unbemerkt in eine Beziehung, so Dreyer: «Kritik und Demütigungen machen oft den Anfang.» Irgendwann kommt ein Schubser, die erste Ohrfeige - Experten sprechen von einer Spirale der Gewalt.

Wer glaubt, Gewalt in Paarbeziehungen komme hauptsächlich im bildungsarmen und einkommensschwachen Milieu vor, der irrt, ergab eine Studie des Bundesfamilienministeriums in Berlin aus dem Jahr 2005. «Insgesamt bestätigte die Untersuchung, dass Gewalt in Beziehungen kein Schichtproblem ist», so das Fazit der Autoren.

Auch Alexandra und ihr Freund sind Akademiker. Hätte sie gleich die Koffer packen sollen? Eine allgemeingültige Regel gibt es für Dreyer in diesem Fall nicht. Aber natürlich habe jeder nach dem ersten Schlag das Recht, eine Beziehung zu beenden.

Oft gehe der Eskalation eine Beziehungskrise voraus, in der die Verständigung nicht mehr klappt. «Dann kommt in der Anwendung von Gewalt auch eine gewisse Hilflosigkeit zum Ausdruck.» In jedem Fall müsse danach eine Umkehr erfolgen: «Der übergriffige Partner muss die Schwere seiner Tat erkennen und wissen, dass das nicht mehr passieren darf.» Am besten wäre es, wenn sich das Paar an eine Beratungsstelle wendet oder - gemeinsam oder getrennt - eine Psychotherapie beginnt. «Wenn dazu jedoch keine Bereitschaft besteht, dann ist es tatsächlich an der Zeit, zu gehen.»

Viele schaffen diesen Absprung jedoch nicht. Auch Alexandra ist nach einer Entschuldigung ihres Partners geblieben. Sie suchte die Schuld bei sich und bemühte sich, es ihrem Partner recht zu machen. Die Frauenhausmitarbeiterin Silvia Kaubisch aus Fürth kennt dieses Verhalten. Die Frauen glaubten, die Situation im Griff zu haben - bestätigen aber ihren Partner nur in seiner Ansicht, dass seine Methode funktioniert, die Situation verschlimmert sich. Schwierig gestalte sich eine Trennung auch oft, wenn Kinder im Spiel sind.

Je länger die Gewalt anhält, desto schwieriger ist es, die Beziehung zu beenden, weiß Kaubisch. «Denn mit der Zeit verändert sich auch das Selbstbild der Opfer.» Wie bei Alexandra, die sich immer mehr zurückzog. Ihre Freunde, ihre Familie redeten auf sie ein, zu gehen. Das sei zwar oft zermürbend, aber wichtig, erklärt Dreyer. «Sie müssen Perspektiven aufzeigen, informieren und Mut machen.»

Information von außen ist laut Kaubisch besonders wichtig für Frauen, die sich trennen wollen, aber nicht um ihre Rechte wissen. Doch die Polizei kann inzwischen Platzverweise aussprechen, und ein Gericht kann bestimmen, dass sich der Täter fernzuhalten hat. Hält er sich auch daran nicht, ist das Frauenhaus eine gute Lösung. Eines jedoch könne niemand den betroffenen Frauen abnehmen, so Kaubisch: «Die Trennungsentscheidung müssen sie selber treffen.»

Alexandra konnte sich damals nicht entscheiden. Der Vorfall liegt nun zwei Jahre zurück. Bis auf wenige Handgreiflichkeiten, blieb es in ihrer Beziehung bei Demütigungen und ständiger Kritik. «Irgendwann hab ich mich selbst nicht mehr erkannt.» Vor einem halben Jahr trennte er sich von ihr. Wegen einer anderen. «Zum Glück», sagt sie heute. «Ich hätte den Absprung damals selber nicht geschafft.»


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