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Freitag, 2. Februar 2007

Mit dem Handy am Steuer: Rechtsprechung gerät in die Kritik

Düsseldorf (dpa) - Man sieht sie überall: Die Autofahrer mit dem Handy am Ohr. Im dichten Stadtverkehr. Mit Tempo 180 auf der Autobahn. Im Stau. Wer erwischt wird, muss 40 Euro bezahlen und bekommt einen Punkt in der Flensburger Verkehrssünderkartei.


Düsseldorf (dpa) - Man sieht sie überall: Die Autofahrer mit dem Handy am Ohr. Im dichten Stadtverkehr. Mit Tempo 180 auf der Autobahn. Im Stau. Wer erwischt wird, muss 40 Euro bezahlen und bekommt einen Punkt in der Flensburger Verkehrssünderkartei.

Alle Ausreden der Sünder, gar nicht telefoniert zu haben, prallen bislang an den Gerichten ab. Es reicht, ein Handy in der Hand zu halten, damit das Bußgeld fällig wird. Doch inzwischen regt sich Kritik an der Rechtsprechung. Sie stehe im Widerspruch zu dem, was ansonsten im Auto erlaubt ist, sagen renommierte Verkehrsrechtler.

Die Straßenverkehrsordnung sieht im Paragrafen 23 1a klipp und klar vor: «Dem Fahrzeugführer ist die Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält. Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist.» Kaum eine Vorschrift wird so häufig und bedenkenlos übertreten wie dieses Handyverbot. Neuere Schätzungen gehen von bundesweit mehr als 300 000 Verstößen pro Jahr aus.

Durch diese Zahlen sah sich der Gesetzgeber veranlasst, den Verwarnungstatbestand im April 2004 zu einem Bußgeldtatbestand hochzustufen. Doch die vorherrschende Volksmeinung, nur das Telefonieren sei verboten, führen zu massenhaften Einsprüchen gegen die Bußgeldbescheide mit der der Standardbehauptung: «Ich habe gar nicht telefoniert.»

Es folgen Ausreden wie: «Ich habe das Handy zwar in der Hand gehabt, aber nur, um eine gespeicherte Notiz oder die Uhrzeit abzulesen.» Dagegen kämpfen die Oberlandesgerichte von Jena bis Karlsruhe und von Hamm bis Bamberg an. Die Juristen bedienen sich eines Kunstgriffs. Sie nehmen zwar die Ausreden der Betroffenen als unwiderlegbar hin, verwerfen sie aber als rechtlich unbeachtlich. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat schon im Jahre 2002 entschieden, das Mobiltelefon werde bereits dann verbotswidrig benutzt, wenn es nur in der Hand gehalten werde. Denn mit dem Verbot solle gesichert werden, dass der Fahrer beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei habe.

Unter Benutzung im Sinne der Straßenverkehrsordnung sei jegliche Nutzung eines Mobiltelefons zu verstehen. Auch wer beim Warten an einer roten Ampel das Telefon zur Hand nehme, verhalte sich ordnungswidrig. Und auch, wer sein Handy als Diktiergerät benutzt, erhöht seinen Kontostand in der Flensburger Kartei. Allein das OLG Köln (Az.: 83 Ss OWi 19/05) hat eine Ausnahme zugelassen, wenn der Fahrer das Mobiltelefon nur in die Hand nimmt, um es von einem Platz auf einen anderen zu legen.

Die rigide Rechtsprechung erleichtert die Beweisführung der Polizei. Aber in juristischen Fachzeitschriften hagelt es inzwischen Kritik. Die Rechtsanwälte Sven Hufnagel (Aschaffenburg) und Markus Keerl (Stuttgart) sowie Professor Uwe Scheffler von der Universität Frankfurt/Oder, sämtlich ausgewiesene Verkehrsrechtsexperten, bemängeln die Widersprüche in der Bewertung.

Man dürfe am Steuer doch straflos essen, trinken und rauchen, könne das Radio, den CD-Player, die Navigation bedienen, Notizblöcke und reine Diktiergeräte in die Hand nehmen und benutzen. Das Gebot, immer beide Hände am Steuer zu belassen, könne, so Professor Scheffler ironisch, das Ende des Schaltgetriebes einleiten.

Auch die Kritiker sind sich darin einig, dass Telefonieren am Steuer gefährlich ist. Aber die jetzige Vorschrift sei hierzu nicht geeignet. Es bestehe also Handlungsbedarf - was das Bundesverkehrsministerium freilich nicht so sieht. Die Verkehrsrechtler empfehlen, künftig allein das echte Telefonieren zu bestrafen, alles andere könne auch nach den Regeln der Generalklausel der Straßenverkehrsordnung bestraft werden, denn in Paragraf 1 heißt es: «Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

Von Günter Pohl, dpa

 

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