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Dienstag, 27. März 2007

Wahltarife: Verbraucherschützer raten zum Abwarten

Berlin (dpa/gms) - Selbstbehalte, Kosten- und Beitragsrückerstattungen - die Wahltarife der gesetzlichen Krankenkassen, die zum 1. April möglich sein werden, klingen so, als könnten Versicherte mit ihnen in Zukunft viel Geld sparen.


Berlin (dpa/gms) - Selbstbehalte, Kosten- und Beitragsrückerstattungen - die Wahltarife der gesetzlichen Krankenkassen, die zum 1. April möglich sein werden, klingen so, als könnten Versicherte mit ihnen in Zukunft viel Geld sparen.

Das stimmt allerdings nur bedingt, warnen Verbraucherschützer. Denn manche Tarife, die auf Kostenersparnis zielen, belohnen nur gesunde Menschen. Außerdem haben zum Stichtag längst noch nicht alle Krankenkassen ihre Tarifmodelle ausgearbeitet. Ein umfassender Vergleich ist deshalb noch gar nicht möglich.

Es geht aber nicht bei allen Tarifen nur darum, den Kassen möglichst wenig zur Last zu fallen. Die Gesundheitsreform verpflichtet die Krankenkassen auch, besondere Versorgungsformen einzuführen. So müssen sie zum Beispiel hausarztzentrierte Versorgung und Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten anbieten. Wer daran teilnimmt, also zum Beispiel immer erst den Hausarzt aufsucht und sich erst dann an den Facharzt überweisen lässt, wird mit kleinen Boni wie Prämien oder Ermäßigungen bei den Zuzahlungen belohnt. «Das sind Programme, die die Qualität erhöhen», sagt Thomas Isenberg vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Berlin. Diese Tarife seien zu empfehlen, weil Versicherte meist ohne größere Nachteile wieder aussteigen können.

Bei anderen Wahltarifen, die die Krankenkassen ab dem 1. April freiwillig anbieten können, ist das dagegen nicht der Fall, warnt Wolfgang Schuldzinski von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Denn bei diesen Wahltarifen binden sich die Versicherten für drei Jahre und geben ihr Sonderkündigungsrecht auf. Das heißt, selbst bei Beitragserhöhungen können die Krankenversicherten ihre Krankenkasse nicht mehr wechseln. «Die Versicherten sollten die neuen Tarifangebote sehr genau auf Chancen und Risiken prüfen», rät der BKK Bundesverband in Essen.

Zu diesen freiwilligen Wahltarifen gehören zum Beispiel Selbstbehalte. Wie bei einer Teilkasko-Versicherung für das Auto erklärt sich der Patient bereit, die Kosten bis zu einem bestimmten Betrag selbst zu übernehmen. Bleibt er in diesem Rahmen, erhält er am Ende des Jahres eine Prämie - maximal sieht der Gesetzgeber 600 Euro vor. Die Höhe des Selbstbehalts staffeln die meisten Kassen nach dem Einkommen. Untersuchungen zur Vorsorge und Früherkennung werden nicht miteingerechnet. «Für einen 30-jährigen Gesunden kann das interessant sein, aber nicht für einen chronisch Kranken», sagt Thorsten Jakob von der Barmer Ersatzkasse in Wuppertal.

Daneben können die Kassen auch Beitragserstattungen anbieten. Wenn der Versicherte ein Jahr lang außer zu Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen nicht zum Arzt geht, bekommt er einen Teil des Jahresbeitrags zurück, maximal aber ein Zwölftel. «Ein Pokerspiel», findet Thomas Isenberg. Denn nicht nur der Versicherte, auch Familienversicherte dürfen in dem Jahr keine Leistungen außer der Vorsorge in Anspruch nehmen. Außerdem zeige sich aus der Erfahrung der Privatversicherungen, dass viele Menschen bei solchen Tarifen auch nicht zum Arzt gehen, wenn es vielleicht dringend nötig wäre, sagt Judith Storf von der Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen und -Initiativen in München. Das könne sie teuer zu stehen kommen.

Eine andere Möglichkeit ist die der Kostenerstattung. «Da mutiert der Versicherte ein bisschen zum Privatpatienten», sagt Wolfgang Schuldzinski. Der Arzt stellt dem Patient eine Rechnung aus, deren Betrag die Kasse dann zu einem bestimmten Anteil übernimmt. Das könnte für manche Patienten zum Vorteil werden, denn der Arzt wird sie unter Umständen nicht mehr abweisen, weil er nicht auf sein Budget achten muss, prophezeit Schuldzinski. Auf der anderen Seite werden die Ärzte noch mehr zum Kaufmann, warnt Isenberg. Es bestehe die Gefahr, dass Versicherte übervorteilt werden.

Schließlich können Krankenkassen ihren Versicherten auch Tarife anbieten, bei denen Kosten für bestimmte Heilmethoden wie Homöopathie und anthroposophische Medizin übernommen werden. «Das ist ein Vorteil für diejenigen, die sich jetzt schon vorwiegend ganzheitlich behandeln lassen», sagt Judith Storf. Doch das gelte nur für Ärzte mit Zusatzausbildung, nicht etwa für reine Homöopathen. Patienten, die sich nicht ausschließlich alternativ behandeln lassen, sollten deshalb gegenrechnen, ob der Tarif überhaupt lohnt.

Grundsätzlich raten die Verbraucherschützer, mit dem Abschluss eines der freiwilligen Wahltarife abzuwarten. «Es sind noch nicht viele Kassen dabei», sagt Wolfgang Schuldzinski. Einen umfassenden Preis-Leistungs-Vergleich werden Versicherte wahrscheinlich erst im Herbst machen können, sagt Thomas Isenberg. Mit Markttransparenz können Verbraucher allerdings auch dann nicht rechnen. Die Flut der Angebote dürfte ziemlich unübersichtlich werden.


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