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Mittwoch, 30. Juli 2008

Besserer Schutz vor Telefon-Werbung

Berlin (dpa) - Sie schmeicheln, locken und tricksen: Wer den Mitarbeitern von Call Centern alles glauben würde, müsste schon längst ein Luxusauto, eine schöne Villa und Millionen auf dem Konto haben.

Kabinettsbeschluss: Verbraucher sollen besser vor unerwünschten Werbeanrufen geschützt werden. (Bild: dpa)

Berlin (dpa) - Sie schmeicheln, locken und tricksen: Wer den Mitarbeitern von Call Centern alles glauben würde, müsste schon längst ein Luxusauto, eine schöne Villa und Millionen auf dem Konto haben.

Täglich werden unzählige Verbraucher auf Festnetz oder Handy mit Werbeanrufen genervt. Wer nicht aufpasst, an der falschen Stelle Ja sagt oder seine Bankdaten preisgibt, kann eine böse Überraschung erleben. Plötzlich ist er Abonnent einer Tierzeitschrift, hat einen neuen Handy-Vertrag oder den Stromanbieter gewechselt. Den schwarzen Schafen der Branche will jetzt die Bundesregierung das Handwerk legen. Das Kabinett beschloss am Mittwoch (30. Juli) in Berlin einen Gesetzentwurf von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD).

Das Gewerbe der «Anrufzentren» boomt. Der Jahresumsatz der Branche wird auf zwölf Milliarden Euro geschätzt - mit stark steigender Tendenz. Nach Angaben des Call Center Forums Deutschland (CCF) arbeiten in rund 5700 Firmen rund 435 000 Beschäftigte. Wer in Vollzeit arbeitet, kann dort monatlich im Schnitt etwa 1800 Euro brutto verdienen. Viele Center locken Studenten und Aushilfen mit hohen Stundenlöhnen - die aber nur bei erfolgreichen Telefon-Abschlüssen gezahlt werden.

Besonders beliebt sind Lotto-Angebote. Damit der Angerufene ins Netz geht, versuchen die Telefon-Agenten oft, an die Kontonummer heranzukommen. Zur Begründung hört der Kunde: «Wir müssen den Gewinn doch überweisen können.» Wie es in den Großraumbüros der Call Center zugeht, hat der Enthüllungsreporter Günter Wallraff dokumentiert. Er rasierte sich den Schnauzbart ab, setzte eine Perücke auf und schlich sich in Köln in ein großes Center ein, das vor allem Lottoscheine am Telefon verkauft. Wallraff schätzt, dass nur noch ein Drittel der Call Center vom seriösen Service-Geschäft der Kundenberatung im Auftrag von Unternehmen lebt.

«In den Call Centern, die sich ausbreiten wie eine Seuche, werden Leute zu Betrügern ausgebildet», kritisiert Wallraff nun. Die Mitarbeiter würden systematisch angewiesen, Verbraucher zu täuschen. «Es wird sehr stark über Telefondrücker gearbeitet. Den Leuten werden Dinge angedreht, die sie nicht brauchen oder die ihnen schaden.» Die Meinungsforscher von forsa ermittelten im vorigen Herbst, dass 86 Prozent der Deutschen sich durch Werbeanrufe belästigt fühlen. Die Konsumforscher der GfK gehen von jährlich über 300 Millionen unaufgeforderten Anrufen aus.

Doch nicht nur die Angerufenen leiden unter dem «Telefonterror». Schichtdienst, Leistungsdruck und schlechtes Gewissen hinterlassen bei vielen Mitarbeitern ihre Spuren. Fast jeder dritte Call-Center- Beschäftigte wurde nach Angaben der Techniker Krankenkasse 2006 wegen einer «psychischen Störung» ambulant behandelt. Keine andere Berufsgruppe in Deutschland sei so stark betroffen. Auf die massive Kritik hat die Branche mit einem Ehrenkodex reagiert. Bald soll es eine zentrale Beschwerdestelle für Verbraucher geben.

Der Politik reicht das nicht. Im Gesetzentwurf von Justizministerin Zypries sind Geldbußen bis zu 50 000 Euro vorgesehen. Call Centern wird verboten, mit unterdrückter Nummer anzurufen. Mehr Widerrufsrechte und die Pflicht zur Unterschrift bei langfristigen Verträgen (Strom, Gas, Telefon) sollen die Position der Verbraucher stärken.

Den Bundesländern ist das Gesetz nicht scharf genug. Sie wollen eine schriftliche Betätigung - per Brief, Fax oder Mail - für alle Telefon-Geschäfte einführen. Zypries lehnt das ab, weil das auch für jede Pizza-Bestellung gelten müsse oder den Versandhandel erschwere. Verbraucherschützer halten das für unsinnig. Schließlich sei es ein gehöriger Unterschied, ob man am Telefon überrumpelt werde oder selber zum Hörer greife, um ein Abendessen zu ordern.


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