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Dienstag, 23. Januar 2007

„Fuehrerscheintourismus“: EU-Fuehrerschein bei Sperrfrist und neue EU-Richtlinie

Dem so genannten „Führerscheintourismus“ ist durch die Rechtsprechung und nun auch durch EU-Recht ein Riegel vorgeschoben worden. Es geht dabei um die Frage, ob ein von einem Deutschen im EU-Ausland erworbener Führerschein in Deutschland zum Führen eines Fahrzeugs berechtigt, wenn in Deutschland nach einem Führerscheinentzug eine Sperrfrist für den Erwerb einer neuen Fahrerlaubnis angeordnet wurde.


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Dem so genannten „Führerscheintourismus“ ist durch die Rechtsprechung und nun auch durch EU-Recht ein Riegel vorgeschoben worden. Es geht dabei um die Frage, ob ein von einem Deutschen im EU-Ausland erworbener Führerschein in Deutschland zum Führen eines Fahrzeugs berechtigt, wenn in Deutschland nach einem Führerscheinentzug eine Sperrfrist für den Erwerb einer neuen Fahrerlaubnis angeordnet wurde.

Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied mit Urteil vom 15. Januar 2007, dass der EU-Führerschein unwirksam ist, wenn er während einer laufenden Sperrfrist erteilt wurde. Ein Angeklagter war in der Vergangenheit wegen Trunkenheit im Verkehr bestraft worden. Dabei wurde ihm der Führerschein entzogen und eine Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis festgesetzt (§§ 69, 69a StGB). Weil er danach dennoch weiter Auto fuhr, wurde er in der Folge wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt und die Sperrfrist verlängert. Zwei Wochen vor Ende dieser Sperrfrist erhielt er im tschechischen Marianske Lazne (Marienbad) eine EU-Fahrerlaubnis, mit der er einige Monate später – also nach Ablauf der Sperrfrist – in Deutschland auf öffentlichen Straßen kontrolliert wurde. Nachdem zunächst das Amtsgericht ihn darauf hin erneut wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt hatte, hatte das Landgericht das Urteil aufgehoben, weil die tschechische EU-Fahrerlaubnis von deutschen Behörden und Gerichten nach EU-Recht als gültig anerkannt werden müsse.

Dem widersprach das Oberlandesgericht unter Hinweis auf die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Danach dürfen Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis zwar grundsätzlich in Deutschland fahren. Das gilt jedoch dann nicht, wenn die Fahrerlaubnis in Deutschland entzogen worden ist und eine neue nicht erteilt werden darf (§ 28 Absatz 4 FeV). Das Landgericht hatte diese Einschränkung als nicht gegeben betrachtet, weil zum Zeitpunkt des Fahrens die Sperrfrist bereits abgelaufen war, so dass zu diesem Zeitpunkt theoretisch auch in Deutschland ein neuer Führerschein hätte erteilt werden dürfen. Das Oberlandesgericht war dagegen der Auffassung, dass allein der Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins maßgeblich ist. Weil die Sperrfrist bei Erteilung noch nicht abgelaufen war, sei der Führerschein unwirksam geblieben.

Dies sei auch mit EU-Recht und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vereinbar, wonach die EU-Mitgliedsstaaten grundsätzlich ausländische Führerscheinerteilungen – ohne weitere Anforderungen wie etwa eine medizinisch-psychologische Untersuchung – anerkennen müssen. Da es einen Grundsatz „Europafreundlichkeit geht vor Verkehrssicherheit“ nicht gebe, könne dies jedoch erst dann gelten, wenn Maßregeln wie etwa eine gerichtliche Sperrfrist nicht mehr bestünden. Insoweit fügte das Gericht an: „Hätte der Angeklagte sich nach Ablauf der Sperrfrist von den tschechischen Behörden einen EU-Führerschein ausstellen lassen, so hätte dieser – falls die übrigen Voraussetzungen vorgelegen hätten – von den deutschen Behörden und Gerichten anerkannt werden müssen.“

Auch dies gilt seit dem 19. Januar 2007 jedoch nicht mehr. An diesem Tag sind wichtige Teile der dritten EU-Führerschein-Richtlinie in Kraft getreten. Nach Artikel 11 dieser Richtlinie haben andere Mitgliedstaaten die Ausstellung eines Führerscheins abzulehnen, wenn der Führerschein des Bewerbers in einem anderen Mitgliedstaat, z.B. Deutschland, eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen wurde. Wird dennoch ein (ausländischer) EU-Führerschein erteilt, kann Deutschland die Anerkennung des Führerscheins ablehnen.

Urteil des OLG Stuttgart vom 15.01.2007, Az. 1 Ss 560/06

Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein

 

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