Mit vielen Fakten erfolgreich gegen die Flugangst

Stuttgart (dpa) - Sabine Richter ist in guter Gesellschaft. Die 45-Jährige leidet an etwas, von dem auch Til Schweiger und sogar der Dalai Lama betroffen sein sollen: Angst vorm Fliegen.

«Ich fliege zwar seit zwölf Jahren regelmäßig, aber für mich ist das ein großer Stress, ich schlucke auf einem Flug nach New York bis zu drei Valium», erzählt die 45-Jährige. Deshalb hat sie sich entschlossen, etwas gegen die so genannte «Aviophobie» zu tun und sich für einen Kurs des «Instituts für Flugangst und psychologische Beratung» entschieden. In zwei Tagen lernen die Teilnehmer, ihrer Angst zu begegnen. Das Besondere daran: am zweiten Seminartag geht es im Flieger von Stuttgart nach Frankfurt und zurück.

Am ersten Nachmittag sprechen die Teilnehmer aber zunächst einmal darüber, woher ihre Flugangst kommt: Angst vor Kontrollverlust, Misstrauen gegenüber Technik und Piloten, oder sogar mangelndes Physikwissen. «Ich verstehe einfach nicht, warum so ein Ding fliegt», erzählt der einzige männliche Zuhörer. Eine Frau berichtet von regelmäßigen Albträumen vor dem Flug in den Urlaub: «Wenn ich dann da bin, kann ich den Urlaub auch nicht genießen, weil ich dauernd nur an den Rückflug denke.»

Der Kursleiter Frank Eisenberg begegnet diesen Erzählungen mit viel Verständnis. Seit vier Jahren erläutert der 31-Jährige in seinen Seminaren zunächst technische Details und Abläufe beim Fliegen. Viele Fakten für den Kopf sollen das Angstgefühl im Bauch abbauen. «Wussten Sie zum Beispiel, dass ein Flugzeug aus 10 000 Meter Höhe noch 250 Kilometer weit segeln und somit fast überall einen Verkehrsflughafen erreichen kann?»

Dann erzählt der Pädagoge viel über die Gründe von Angst und Stress und wie man ihnen erfolgreich begegnet. Die Zuhörer sollen lernen, sich ihrer Angst zu stellen und sie nicht mehr, zum Beispiel wie Sabine Richter mit Medikamenten, vermeiden. Am Ende des ersten Tages zieht Eisenberg schließlich ein positives Fazit: «Ich glaube, es sind alle gewillt, einzusteigen.»

Denn am nächsten Morgen zeigt sich, wie viel von der Theorie in der Praxis weiterhilft. Ein Airbus A300 steht für den Flug nach Frankfurt bereit. Es ist eine Linien-Maschine, in die sie mit anderen Passagieren einsteigen. Kurz vor dem Start dann doch ein Zögern: Eine Teilnehmerin ist kurz davor, wieder umzukehren, wird aber schließlich doch von Eisenberg überzeugt, erzählt später ein Kursteilnehmer. Auch während des Fluges hat der Kursleiter ein spezielles Programm für seine Schüler. Zunächst erklärt er die Geräusche einer Maschine bei Start und Landung, später gibt er bei einem etwas heftigeren Luftloch Tipps zum richtigen Atmen und Entspannen der Muskeln.

Auch die Flugzeugbesatzung kümmert sich um die Kursteilnehmer. Zwei Teilnehmer des Seminars dürfen schließlich sogar während des gesamten Fluges im Cockpit den Piloten über die Schulter schauen und so Vertrauen in deren Können entwickeln. Nach einem ausgedehnten Frühstück in Frankfurt geht es schließlich wieder zurück nach Stuttgart - bereits wesentlich entspannter als auf dem Hinweg.

Bei Ihrer Rückkehr zieht Richter ein positives Fazit. Im September fliegt sie das nächste Mal nach New York und will dann ohne Wein und Valium fliegen. Auch die anderen Seminarteilnehmer blicken dem nächsten Flug deutlich entspannter entgegen. Bei der Landung in der Landeshauptstadt sehen ihre Gesichter trotzdem müde aus. Dafür gibt es aber einen Grund, der wenig mit Flugangst zu tun hat: «Wir haben uns ja schon heute morgen um Viertel nach sieben hier getroffen.»