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Stichwörter: FlugangstPanikattacke
Mittwoch, 20. Februar 2008

Flugangst ist weit verbreitet, aber lösbar

Frankfurt/Main (dpa) - Wenn sich die Kabinentür schließt, zieht sich der Magen von Karin Fischer (Name geändert) zusammen. Sie ist nass geschwitzt, bis der Flieger endlich abhebt. Karin Fischer ist ein klassischer Flugangst-Patient und beileibe keine Ausnahme.


An einem Seminar gegen Flugangst nimmt diese Frau am Flughafen in Hannover teil. (Bild: dpa)

Rund 16 Prozent der Bundesbürger haben laut einer Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie Angst vor dem Fliegen, weitere 22 Prozent verspüren ein deutliches Unbehagen. Viele verdrängen die Flugangst oder versuchen sie vor dem Start mit Alkohol oder Beruhigungsmitteln zu betäuben. Oft ist sie unkontrollierbar - doch es gibt Lösungen für ihr Problem.

Karin Fischer hat sich entschieden, in der neuen Ambulanz des Deutschen Flugangst-Zentrums (DFAZ) in Frankfurt Hilfe zu suchen. Jahrelang hat die 44 Jahre alte Beraterin ihre Flugangst unterdrückt, nun ist sie wieder da. Auslöser war eine Urlaubsreise auf die Malediven, als das Flugzeug beim Landeanflug wieder durchstartete. Seither vermeidet sie das Fliegen, wann immer es geht. Ihren Mann hat sie im letzten Sommer zu einem Südfrankreichurlaub mit dem Auto überredet. «Aber die Malediven sind sein Traumziel, deshalb stehe ich sehr unter Druck», sagt die 44-Jährige.

Oft ist es Experten zufolge eine Mischung aus Kontrollverlust, Furcht vor dem Unbekannten und fehlendem Vertrauen in die Technik, die Flugangst heraufbeschwört. «Ich habe das Gefühl, ich muss immer aufpassen mit den Triebwerken. Ich will immer alles im Blick haben und die Geräusche hören», sagt Fischer. Jedes Rucken des Fliegers lasse sie innerlich zusammenzucken. Auch der fehlende Kontakt zu den Piloten störe sie. «Ich kenne die nicht da vorne und selten macht mal einer eine nette Ansage oder erklärt etwas.»

Dem Diplom-Psychologen Marc-Roman Trautmann sind solche Beschwerden vertraut. Seit er 1999 das DFAZ im rheinland-pfälzischen Nieder-Wiesen mit seiner Frau gegründet hat, sind schon mehr als 4000 Menschen mit Flugangst durch seine Seminare gegangen - vom Achtjährigen bis zum 78-Jährigen, der seine Frau mit einem Opernbesuch in Los Angeles überraschen wollte. Meist sind es jedoch Geschäftsreisende zwischen 30 und 40, die seine Hilfe in Anspruch nehmen. Das Unternehmen bietet mittlerweile in zahlreichen Großstädten Seminare an, inzwischen wurde auch in Frankfurt eine Flugangst-Ambulanz eröffnet, die zweite neben Düsseldorf.

Karin Fischer wird an diesem Tag zunächst einige Fragen beantworten müssen, etwa woran sie denn zweifelt, an sich oder der Technik. Dann erklärt ihr Trautmann allerlei Technisches über das Flugzeug. Sie erfährt, dass die beiden Flügel nicht abbrechen können, da es sich um eine durchgehende Tragfläche handelt. Auch das Durchstarten bei der Landung sei nichts Ungewöhnliches, sondern richte sich nach dem maximalen Seitenwind, der für jeden Flugzeugtyp festgeschrieben sei. Selbst ein Triebwerksausfall sei kein Drama: «Ein Flugzeug kann auch mit einem Triebwerk bis nach Amerika fliegen», sagt er. «Und selbst wenn alle Triebwerke in einer Höhe von 10 000 Metern ausfallen, kann ein Flugzeug immer noch 200 Kilometer gleiten.»

Laut Allensbach hat sich die Flugangst in der Bevölkerung seit den 90er Jahren kaum verändert. Trautmann hat indes den Eindruck, dass sie vor allem unter Geschäftsreisenden gestiegen ist. Flugangst und Stress - im positiven wie negativen Sinne - gingen oft Hand in Hand. «Besonders anfällig sind Menschen, die beruflich oder privat sehr engagiert sind und viele Entscheidungen treffen.» Zwischen Männern und Frauen sei Flugangst gleich verteilt, nur äußere sie sich etwas anders: «Frauen klopft eher das Herz, Männern zittern die Knie.»

Dass Flugangst auch ein Wirtschaftsfaktor ist, belegt eine Studie des US-Flugzeugbauers Boeing. Danach gehen den amerikanischen Fluggesellschaften jährlich Tickets im Wert von zweieinhalb Milliarden Dollar verloren, die wegen Flugangst nicht gekauft werden. Vergleichbare Zahlen aus Deutschland gibt es nicht. Für den Psychologen ist das Teil des Problems: Flugangst sei offiziell kein Thema bei den meisten Airlines. Psychologische Schulungen gehörten nicht zur Grundausbildung des Personals und würden zu selten als freiwillige Zusatzkurse angeboten.

Karin Fischer hat sich nach dem einstündigen Gespräch entschieden, an einem Kleingruppen-Seminar teilzunehmen. Sie soll dabei Entspannungstechniken und Angstbewältigung lernen, einen Blick in ein Cockpit werfen und dann mit der Gruppe einen Linienflug nach Zürich, Madrid oder Mallorca unternehmen. Das Seminar wird sie zwischen 460 und 660 Euro kosten. Garantiert ist der Erfolg nicht - doch mehr als 90 Prozent der Teilnehmer fliegen Trautmann zufolge danach wieder regelmäßig.


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