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Montag, 12. Februar 2007

Wie versteuert man Regenwürmer?

Das Finanzgericht Düsseldorf hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob beim Verkauf von Regenwürmern nun der volle Umsatzsteuersatz von (damals) 16 % oder der ermäßigte von 7 % gilt.


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Das Finanzgericht Düsseldorf hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob beim Verkauf von Regenwürmern nun der volle Umsatzsteuersatz von (damals) 16 % oder der ermäßigte von 7 % gilt. Das Finanzamt ging von ersterem, der Regenwurmverkäufer und Kläger von letzterem aus. Die Urteilsbegründung, die dem Finanzamt Recht gab, ist ein Lehrstück der Gesetzesauslegung und zeigt auf wunderbare Weise, wie logisch das Steuerrecht in Deutschland ist:

Das Gericht urteilte, dass eine Steuerermäßigung ausgeschlossen sei, weil „die Umsätze des Klägers aus dem Handel mit Regenwürmern (...) ersichtlich nicht zu den Umsätzen mit lebenden Tieren nach Nr. 1 der Anlage (gehören), da Regenwürmer nicht zu den abschließend aufgezählten Tierarten gehören.“ Soweit, so klar. „Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes folgt auch nicht aus der laufenden Nr. 3 der Anlage. Danach unterliegen dem ermäßigten Steuersatz Fische und Krebstiere, Weichtiere und andere wirbellose Wassertiere, ausgenommen Zierfische, Langusten, Hummer, Austern und Schnecken. Diese Vorschrift verweist auf Kapitel 3 des Zolltarifs, so dass es für die Auslegung der einzelnen Regelungen der Anlage auf die zolltariflichen Vorschriften und Begriffe ankommt.“ Ach so!

„Nach ihrem Wortlaut umfasst die im Streitfall allein in Betracht kommende Tarifnummer 03.07 zunächst Weichtiere, auch ohne Schale, lebend, frisch, gekühlt, gefroren, getrocknet, gesalzen oder in Salzlake.“ Frischer Regenwurm, lebend in Salzlake? „In den der Tarifnummer weiter zugeordneten Untergruppierungen sind Regenwürmer nicht ausdrücklich erwähnt, so dass die Zuordnung zu der Tarifnummer 03.07 nur dann vorzunehmen wäre, wenn es sich bei Regenwürmern um Weichtiere im Sinne dieser Tarifnummer handeln würde.“

Hier behalf sich das Gericht nun mit der „Enzyklopädie des Tierreichs“ von Dr. Grzimek und machte umfangreiche Ausführungen zur Einordnung verschiedener Regenwurmarten zu den Gürtel-, Glieder- und Ringelwürmern, damit also zu den „Wenigborstern“, die – wie man ja weiß – zu den Gliedertieren gehören und also gegenüber den „Mollusca“ (Weichtieren) einen eigenständigen Stamm bilden. Bereits deshalb hätte dem Kläger auch ohne Biologiestudium doch sofort einleuchten müssen, dass der ermäßigte Steuersatz keinesfalls in Betracht kommt!

Denn schließlich zählen Regenwürmer „auch nicht zu den in Tarifnummer 03.07 ebenfalls genannten ‚wirbellosen Wassertieren’. Eine solche Zuordnung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei Regenwürmern zwar um Wirbellose, nicht jedoch um Wassertiere handelt. Maßgeblich ist insoweit allein, dass der Regenwurm zu den Landbewohnern zählt. Zwar ist der Regenwurm durchaus in der Lage, eine gewisse Zeit im Süßwasser zu überleben, dennoch – und nur darauf kommt es für die Zuordnung an – hat sich der Regenwurm im Laufe der stammesgeschichtlichen Entwicklung zu einem Landtier entwickelt, als dessen natürlicher Lebensraum der Erdboden anzusehen ist (...).“

Für unerheblich hielt das Gericht dabei, dass die verwandten „Saugmünder“ und „Vielborster“ bisweilen als Wasserbewohner klassifiziert werden könnten. Denn: „Selbst wenn diese Tiere der Tarifnummer 03079919 009 des Zolltarifs zuzuordnen wären, ändert dies nichts an dem Umstand, dass den Regenwürmern – anders als den obigen Arten – die Eigenschaft ‚Wassertier’ fehlt.“ An dieser messerscharfen Schlussfolgerung und der Tarifnummer 03079919 009 führt nun einmal kein Weg vorbei!

Um letzte Zweifel an der Richtigkeit der Anwendung des höheren Regelsteuersatzes auszuschließen, stellte das Gericht abschließend fest, dass selbstverständlich auch keine Ermäßigung nach Nr. 37 der Anlage zu § 12 des Umsatzsteuergesetzes in Betracht komme. Wohl unangreifbar heißt es dazu: „Bei den Regenwürmern handelt es sich nicht um zubereitetes Futter“!

Dem ist nichts hinzuzufügen. Das hätte der Kläger aber auch wirklich selbst wissen können...

Urteil des FG Düsseldorf vom 25.04.1994, Az. 5 K 2536/91 U


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