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Montag, 12. März 2007

Die „Lusthansa“ – Humor vor Gericht

Anfang der 80er Jahre erlaubte sich ein Hersteller von Aufklebern mit dem Firmennamen und -logo der Deutschen Lufthansa AG einen Spaß und verkaufte Aufkleber mit dem Aufdruck „Lusthansa“ sowie zwei im Flug kopulierenden Kranichen.


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Anfang der 80er Jahre erlaubte sich ein Hersteller von Aufklebern mit dem Firmennamen und -logo der Deutschen Lufthansa AG einen Spaß und verkaufte Aufkleber mit dem Aufdruck „Lusthansa“ sowie zwei im Flug kopulierenden Kranichen. Die Lufthansa verklagte den Hersteller in zwei getrennten Verfahren auf Unterlassung der Herstellung und Verbreitung der Aufkleber sowie der Verwendung der Aufkleber auf den Dienstwagen der Firma.

Die Gerichte kamen zwar zu gleichen Ergebnissen, gingen bei der Urteilsbegründung aber durchaus unterschiedlich mit der Angelegenheit um. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ließ sich durch die Schlüpfrigkeit des Themas nicht von seinem sachlichen Stil abbringen. Die Sachverhaltsschilderung liest sich – dennoch amüsant – wie folgt: „In Schrift- und Farbgestaltung entspricht der Aufdruck der von der Klägerin, der Luftfahrtgesellschaft Deutsche Lufthansa AG, verwendeten Kurzbezeichnung ‚Lufthansa’ und ihren Hausfarben blau-gelb. Am linken Rand des Aufklebers sind in einem Kreisbogen eingeschlossen zwei stilisierte Kraniche abgebildet, die – wenn auch im Fluge – eine Paarungshaltung einnehmen. Unstreitig kursieren insbesondere in den Kreisen der Luftfahrtgesellschaften und von deren Fluggästen über die meisten Gesellschaften ähnliche Namensabwandlungen. Als Beispiele hat die Beklagte unter anderem unwidersprochen zitiert: ‚Alimafia’ für Alitalia, ‚Sex After Service’ für SAS, ‚Please Inform Allah’ für PIA, ‚Better On A Camel’ für BOAC, ‚Lauter Alte Tunten’ für LTU. Auch die Bezeichnung ‚Lusthansa’ für ‚Lufthansa’ existiert in dieser Form schon seit Jahren. Die Beklagte vertreibt die Aufkleber seit 1980, die unstreitig auch und gerade von Angestellten der Klägerin gekauft werden.“

Die Führung der Lufthansa dürfte im Übrigen wohl nicht gerade erfreut darüber gewesen sein, im Rahmen des Prozesses zu erfahren, dass ausgerechnet einer ihrer Public-Relations-Manager 200 der besagten Aufkleber bei der Beklagten bestellt hatte.

Die Lufthansa machte vor Gericht eine Verletzung ihres Namensrechts und eine Beeinträchtigung ihres Geschäftsbetriebs geltend. Derartige Ansprüche konnten aber weder das Oberlandesgericht noch das Landgericht Wiesbaden, dass wegen der Verwendung der Aufkleber auf den Dienstwagen zu entscheiden hatte, nicht erkennen. Das ehrwürdige Oberlandesgericht ließ es dabei bewenden, dass zwar „mit der Bezeichnung ‚Lusthansa’ (...) ein bestimmtes Fluidum bei der Fliegerei angesprochen und von der Vorstellung des Publikums von einer gewissen Freizügigkeit und lockeren, ungezwungenen Atmosphäre bei den Luftfahrtgesellschaften Gebrauch gemacht“ werde, sich dies aber nicht auf die Lufthansa als solche, sondern auf Fluggesellschaften im Allgemeinen beziehe.

Das Landgericht fühlte sich dagegen zu längeren – durchaus literarisch lehrreichen – Ausführungen dazu bemüßigt, warum der Ruf der Lufthansa durch den Aufkleber nicht gefährdet sei. Für eine Rufschädigung „müsste der unbefangene Durchschnittsbetrachter – auf wen sonst soll abgestellt werden – durch den Aufkleber sich veranlasst sehen, die Beklagte mit sexuellen Beziehungen in Verbindung zu bringen, bzw. ihr Unternehmen mit einem ‚Bordell-Betrieb’ gleichzusetzen. Dies kann nicht angenommen werden. Die Verwendung des Wortes ‚Lust’ in dem fraglichen Aufkleber allein bewirkt dies nicht. ‚Lust’ ist für den verständigen Betrachter gerade nicht nur eine sexuelle Empfindung. Schließlich bezeichnen auch ‚Lustgärten’ keine Kopulationsstätten, und ‚lustwandeln’ keine sexuellen Annäherungsversuche. Vielmehr stammt z. B. das Wort ‚lustwandeln’ aus der Feder des Philipp von Zesen, der in Deutschtümelei im Jahr 1645 ‚spazierengehen’ in ‚lustwandeln’ übersetzte, so hat sich das Wort ‚lustwandeln’ bis heute erhalten. Die Assoziation zu einem ‚Lust’- im Sinne von ‚Bordell-Betrieb’ könnte den verständigen Rechtsgenossen mithin allenfalls durch die gleichzeitige Abbildung zweier übereinanderfliegender Kraniche kommen. Dies erscheint ausgeschlossen. Die dargestellte Verbindung des Wortes ‚Lust’ und eines im Flug befindlichen Vogelpaares ist für den unbefangen wertenden Bürger kein Hinweis auf libidinöse Zusammenhänge. Z. B. lässt Goethe den Pylades zu Orest im 2. Aufzug (erster Auftritt) seiner Iphigenie sagen: ‚... Und Lust und Liebe sind die Fittiche zu großen Taten’. Die Kammer kann weiter als allgemein bekannt voraussetzen, dass Geschlechtsverkehr zwischen fliegenden Vögeln der abgebildeten Art weder je beobachtet noch ‚technisch’ – schon wegen des Gewichts – möglich ist. Eine Anspielung auf sexuelle Handlungen und die daraus resultierende Gleichsetzung der Beklagten mit einem Bordell-Betrieb ist von daher weder eindeutig noch augenscheinlich oder auch nur naheliegend. Es mag Betrachter geben, die den genannten Zusammenhang dennoch herstellen. Im Zweifel wird diesen aber bewusst sein, dass sie das nicht der Darstellung auf dem Aufkleber, sondern ihrer eigenen (sexuellen) Phantasie zuzuschreiben haben (Denn: „Den Reinen ist alles rein“, Paulus-Brief an Titus, 1, 15). Bewusst gewordene Assoziationen können aber nicht den Ruf desjenigen schädigen, auf den sie sich beziehen, sondern allenfalls auf den Phantasierenden selbst zurückfallen. Der Schutz dieser ‚Selbst-Blamierten’ kann der Beklagten aus keinem rechtlichen Grunde obliegen.“

Urteil des OLG Frankfurt/M. vom 17.12.1981. Az. 6 U 49/81

Urteil des LG Wiesbaden vom 6.8.1981, Az. 2 O 150/81

(Die Entscheidungen sind abgedruckt z.B. in NJW 1982, S. 648–650.)


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