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Montag, 23. April 2007

Die Attacke der Brauereigäule

Ein Brauereipferd, dass eine Reklame-Bierkutsche zog, trat gegen einen PKW und beschädigte diesen. Die Entscheidung über die Klage der Autobesitzerin in diesem Fall nahm ein Richter am Amtsgericht Köln zum Anlass für eine äußerst amüsante Urteilsbegründung.


Ein Brauereipferd, dass eine Reklame-Bierkutsche zog, trat gegen einen PKW und beschädigte diesen. Die Entscheidung über die Klage der Autobesitzerin in diesem Fall nahm ein Richter am Amtsgericht Köln zum Anlass für eine äußerst amüsante Urteilsbegründung. Inhaltlich ging es um die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB, wonach der Halter eines Tieres für Schäden, die durch dieses entstehen, haftet, sofern sich dabei die „typische Tiergefahr“ verwirklicht hat.

Nach Ansicht des Richters war letzteres bei dem Tritt des Brauereipferds der Fall. Dem stehe nicht entgegen, „dass sich auch Menschen ab und zu so verhalten (...), weil es hier auf die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens ankommt. (...) Deshalb bedurfte es auch keiner Aufklärung, ob das Pferd gegen das Auto getreten hat, weil es als Angehöriger einer Minderheit im Straßenverkehr eine Aversion gegen Blech entwickelt hat oder weil es in seiner Einsamkeit sein Herz mit schönem Klang erfreuen wollte oder ob es seinen Huf als Warnblinklicht betätigt hat, damit es mit dem liegengebliebenen Fahrzeug rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt werden konnte.“

Die beklagte Brauerei hatte allerdings behauptet, das Pferdegespann sei zur fraglichen Zeit gar nicht in der Nähe des Fahrzeugs, sondern außerhalb Kölns unterwegs gewesen. Der Richter kam dagegen zu der Überzeugung, die Pferde seien „pünktlich um 12.00 Uhr (‚High Noon’) vor der Postschänke zur Attacke geritten, um das dort befindliche Auto der Klägerin einzutreten.“ Er stützte sich dabei auf die Aussage eines Zeugen, „dem insoweit eine besondere Kölsche Sachkunde zugesprochen werden muss. Er erkannte nämlich nicht nur den Kutscher, sondern sogar auch die Pferde wieder, wobei allerdings die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen ist, dass ihm die Firmenaufschrift auf dem Fuhrwerk der Beklagten bei der einwandfreien Identifizierung geholfen hat.“ Auch habe sich der Zeuge unter anderem deshalb genau erinnern können, weil er „nach vollbrachtem Arztbesuch den Rest des Tages unbeschwert von jeder Arbeit genießen (konnte), so dass seine Aufmerksamkeit durch nichts getrübt war. Das beweist schon die Tatsache, dass er in aller Ruhe ‚ein paar Minuten lang’ zuschaute, wie das eine Pferd der Beklagten ‚immer wieder gegen die Stoßstange des Fahrzeugs der Klägerin trat’, bis der Kutscher der Beklagten seinerseits zwar nicht gegen den Wagen, wohl aber vorzeitig in Erscheinung trat.“

In der Folge beschäftigte sich die Urteilsbegründung mit der Frage, ob der Bierkutscher seine Aufsichtspflicht verletzt haben könnte, indem er die Pferde alleine draußen im Regen stehen ließ, selbst aber in die „Postschänke“ ging, um etwas zu trinken. Der Richter merkte an, der Kutscher hätte die Pferde schließlich mit in die Schänke nehmen können: „Das wäre angesichts der Kölner Verhältnisse im allgemeinen wie auch für Pferde, die den Namen einer Kölner Brauerei tragen, durchaus nichts Ungewöhnliches oder Unzumutbares gewesen. (...) Es hätte genügt, wenn er die Pferde mit an die Theke genommen hätte, wo sie sich als echte Kölsche Brauereipferde sicher wohler gefühlt hätten als draußen im Regen. Auch die Wirtin hätte sicher nichts dagegen gehabt. Denn die Rechtsregel ‚Der Gast geht solange zur Theke, bis er bricht’, hat bis jetzt, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung auf Pferde noch keine Anwendung gefunden. Unter diesen Umständen konnte es offen bleiben, ob der Kutscher der Beklagten in der Postschänke tatsächlich ‚eine Tasse Kaffee’ getrunken hat, ‚weil es so kalt war’ und ob er dadurch arbeitsrechtlich gegen seinen Auftrag verstoßen hat, in jeder Lage für die Beklagte Werbung zu machen und den Umsatz zu fördern.“

Nach einigen weiteren Ausführungen zu den Werbesprüchen der Beklagten sowie mit Gedichten versehenen Erwägungen zur rechtlichen Behandlung von Bierkutschern, Brauereigäulen und sonstigen Tieren, stellte der Richter in seinem Urteil schließlich fest, dass die Brauerei den Schaden am Auto zu ersetzen habe, die Pferde aber weiterhin ihren Dienst verrichten dürften: „Rechtlich bestehen also letztlich keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass die Pferde der Beklagten, wenn auch offenbar weniger von Ben Hur oder gar dem Teufel gelenkt als von ihrer Erfahrung, weiterhin ihre Touren durch die Kölner Stadtteile ziehen. Wenn sie dabei ab und zu ein Auto eintreten, so erfreuen sie sich vielleicht gerade dadurch der Sympathie bestimmter Wählerschichten (vgl. dazu die Umfrage des Forsa-Instituts zur Verdrängung der Autos aus dem Kölner Zentrum, Kölner Stadt-Anzeiger v. 15./16.9.1984).“

Ob die Beklagte der Klägerin das Geld mit der Bierkutsche selbst vorbeibringen sollte und dabei „ausnahmsweise ein volles Fässchen mitgeführt wird, sozusagen als Schmerzensgeld für die Beulen, bleibt allerdings dem freien Ermessen der Beklagten überlassen.“

Urteil des AG Köln vom 12.10.1984, Az. 226 C 356/84

(Die Entscheidung ist abgedruckt z.B. in NJW 1984, S. 1266–1268.)


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