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Dienstag, 6. März 2007

Das Bundesfähnchen im Polizeipferdehaufen

Ein Angeklagter hatte sich wegen „Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“ (§ 90a StGB) zu verantworten. Er bezeichnete sich selbst als Aktionskünstler und wurde bei Veranstaltungen der „Arbeitsgemeinschaft soldatischer Verbände“ am Totensonntag an einem Ehrenmal mal wieder aktiv.


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Ein Angeklagter hatte sich wegen „Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“ (§ 90a StGB) zu verantworten. Er bezeichnete sich selbst als Aktionskünstler und wurde bei Veranstaltungen der „Arbeitsgemeinschaft soldatischer Verbände“ am Totensonntag an einem Ehrenmal mal wieder aktiv.

Er wollte ein Zeichen dagegen setzen, dass in vorangegangenen Jahren wiederholt die Reichskriegsflagge gezeigt worden war. Hiergegen wollte er mit „kulturellen Mitteln“ protestieren. Er bastelte sich also schwarz-rot-goldene „Jubelfähnchen“, die in den Boden gesteckt werden sollten, um den Reichskriegsflaggen etwas entgegen zu setzen. Vor Ort hatte er aber eine – nach seiner Ansicht – noch viel bessere Idee. Im Urteil heißt es dazu:

„Als dann tatsächlich sich ein nicht näher bekannter Mann mit einer Reichskriegsflagge in der Hand neben den Eingang des Ehrenmals stellte, steckte der Angeklagte das an einem Stock befestigte etwa handtellergroße Fähnchen, welches die Flagge der Bundesrepublik Deutschland farblich symbolisierte, in einen Haufen Pferdemist, der dort zufälligerweise wahrscheinlich von einem Polizeipferd hinterlassen worden war. Das Fähnchen steckte nur kurze Zeit in dem Pferdehaufen und wurde dann von dem Einsatzleiter der Polizei, dem Zeugen R., nach – wie er meinte – etwa 5 bis 10 Sekunden, vielleicht auch etwas längerer Zeit, herausgezogen. Dabei fragte der Zeuge R. den Angeklagten, ob das denn sein müsse. Der Angeklagte antwortete, Ja, das müsse sein (...) und machte hierzu nähere Ausführungen.“

In erster Instanz wurde der Angeklagten deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Landgericht Aachen hob in der Berufung das Urteil auf und sprach ihn mit folgender Begründung frei. „Das Stecken eines kleinen Jubelfähnchens, welches farblich die Flagge der Bundesrepublik Deutschland symbolisiert, in einen Haufen Pferdemist kann nach der vom Angeklagten dargelegten Zielrichtung und unter Berücksichtigung der Gesamtumstände jedenfalls auch so gedeutet werden, dass dadurch auf krasse Weise deutlich gemacht werden sollte, durch die Reichskriegsflagge als Symbol der Neonazis werde das Ansehen des Staates, symbolisiert durch das kleine Bundesfähnchen in dem Pferdehaufen, in den Schmutz gezogen.“ Ergänzend wies die Kammer darauf hin, dass selbst wenn man darin einen Verstoß gegen § 90a StGB sehen wollte, die Aktion in jedem Falle durch die gemäß Art. 5 Absatz 3 des Grundgesetzes geschützte Kunstfreiheit gedeckt war. Dass es sich um Kunst handelte sei nicht zweifelhaft. Das folge allerdings nicht daraus, dass der Angeklagte die Aktion als Kunst bezeichnete. „Entscheidend ist vielmehr, dass er – wenn auch sehr vergröbernd – zwei Sachverhalte, nämlich den Polizeipferdehaufen und das Bundesfähnchen zu einer neuen Aussage miteinander verknüpft hat, (...) wobei es durch einen schöpferischen Akt also zu einer bildhaften Verfremdung mit objektiv mehrdeutigem Aussagegehalt gekommen ist.“

Der Angeklagte hat den Einsatzleiter der Polizei aber wohl nicht wegen der Zerstörung des Kunstwerks in Anspruch genommen.

Urteil des LG Aachen vom 16.1.1995, Az. 73 Ns/42 Js 166/92

(Der Text der Entscheidung ist abgedruckt z.B. in NJW 1995, S. 894.)


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