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Stichwörter: UnterhaltsrechtBGH
Freitag, 18. Juli 2008

BGH gibt neuem Unterhaltsrecht erste Konturen

Karlsruhe (dpa) - Alleinerziehende haben das schon immer gewusst, jetzt steht es höchstrichterlich fest: Kinder müssen auch vor und nach der Schule oder der Kita betreut werden - daran ändert auch ein Ganztagsplatz nichts.


Auch nach dem dritten Geburtstag des Kindes dürfte dem erziehenden Elternteil nicht gleich ein Vollzeitjob zumutbar sein. (Bild: istockphoto)

Mit dieser Begründung hat der Bundesgerichtshof (BGH) zumindest ein Verhängnis abgewendet, mit dem manche alleinerziehende Mutter nach der Einführung des neuen Unterhaltsrechts zum Jahresanfang gerechnet haben mag. Auch nach dem dritten Geburtstag des Kindes dürfte dem Elternteil, der sich nach einer Trennung um die Kinder kümmert, selbst bei vorzüglicher Kita-Infrastruktur nicht gleich ein Vollzeitjob zumutbar sein.

Die Dreijahresgrenze ist seit dem 1. Januar 2008 die große Hürde, über die all diejenigen springen müssen, die vom Ex-Partner Unterhalt für die Erziehung gemeinsamer Kinder fordern - egal, ob sie verheiratet waren oder nicht. Zwar ist im Gesetz ausdrücklich eine Verlängerung über das dritte Lebensjahr hinaus vorgesehen, aber nur, «solange und soweit dies der Billigkeit entspricht». Mit der Billigkeit ist es wie mit der Sittlichkeit, der Angemessenheit oder der Verhältnismäßigkeit: Solche Begriffe sind wachsweich und müssen richterlich geformt werden.

Erste Konturen sind nach dem BGH-Urteil bereits erkennbar. Danach ist ein Vollzeitjob - der ja letztlich der finanziellen Entlastung des Zahlvaters (manchmal auch der Zahlmutter) dient - dem betreuenden Elternteil auch dann nicht zwingend zumutbar, wenn das Kind tagsüber versorgt ist. Das war auch deshalb klärungsbedürftig, weil das Gesetz Unterhaltsansprüche auch von den «bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung» abhängig macht. Nur: Von welcher Altersgrenze an doch Vollzeit gearbeitet werden muss, dazu schweigen die Richter.

Das kann allerdings auch eine weise Selbstbeschränkung sein. Denn der BGH-Familiensenat hat dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf - und unausgesprochen auch allen anderen OLG - einen Arbeitsauftrag erteilt. Die Gerichte, die sehr viel näher an der Praxis sind als das Karlsruher Gericht, sollen prüfen, ob sich in der Praxis nicht doch wieder eine Art Altersphasen-Modell entwerfen lässt. So etwas galt früher für Geschiedene: Ab dem 8. Geburtstag war Teilzeit angesagt, ab dem 15. Vollzeit. Der Anwalt der Klägerin, die von ihrem Ex-Freund zwei Kinder hat, warb «im Interesse der Rechtssuchenden» für eine klare Regelung.

In dieser Form ist dies allerdings nicht wiederholbar. Denn nach dem neuen Recht, daran lässt der BGH keinen Zweifel, muss sich der betreuende Elternteil im Regelfall wenigstens einen Teilzeitjob suchen, sobald das Kind drei Jahre alt ist. Während unverheiratete Eltern schon immer mit der Dreijahresgrenze leben mussten, ist das für Geschiedene neu; heute gilt in diesem Punkt Gleichbehandlung.

Zwar gibt es allerlei Gründe, die zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen können - Krankheit des Kindes, Vielzahl der Kinder, langjährige «Hausfrauenehe», die den Wiedereinstieg in den Beruf erschwert. Doch wenn nichts davon greift, dann schützt auch die frühere Ehe nicht vor dem Gang zum Arbeitsamt.

Ansonsten sendet der BGH einige gegenläufige Signale in puncto nichteheliche Lebensgemeinschaft aus. Für die «Dauer» eines Anspruchs kann die Rollenverteilung auch in der Beziehung ohne Trauschein entscheidend sein. Hat sie für die Kinder auf die Karriere verzichtet, dann kann er ihr nicht nach drei Jahren den Betreuungsunterhalt streichen - das «Vertrauen» auf ein längeres Zusammenleben wirkt nach.

Allerdings wird damit die Idee des Bundesverfassungsgerichts ein wenig konterkariert, das 2007 ausdrücklich eine Gleichstellung ehelicher und nichteheliche Kinder angemahnt hatte. Zentrales Argument der Verfassungsrichter war, dass der Betreuungsunterhalt zwar aufs Konto der Mutter (oder des Vaters) fließt, letztlich aber für das Wohl der Kinder da ist. Nach der Logik des BGH wird aber nur das nichteheliche Kind aus festen Beziehungen mit dem ehelichen gleich behandelt - der Nachwuchs aus einem One-Night-Stand kommt schlechter weg.

Dass aus höchstrichterlicher Sicht eben eine gewisse Kluft zwischen Ehe und Nichtehe besteht, machen die Richter auch bei der «Höhe» des Anspruchs deutlich. Wer in bessere Verhältnisse hineingeheiratet hat, profitiert auch nach der Scheidung davon. Die Lebensverhältnisse in der «wilden Ehe» haben dagegen - auch wenn sie luxuriös waren - keine Auswirkung auf die Höhe des Betreuungsunterhalts. Die Krankenschwester, die mit dem Chefarzt zusammengezogen ist, wird nach der Trennung wieder auf Krankenschwester-Niveau alimentiert.


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