Suche:

 A  |  B  |  D  |  E  |  G  |  H  |  K  |  L  |  M  |  P  |  S  |  T  |  U 


Kündigung wegen Krankheit

1. Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen – das dreistufige Prüfungsschema des BAG

Grundsätzlich nimmt das Bundesarbeitsgericht eine dreistufige Prüfung vor. Es muss zunächst eine negative Prognose hinsichtlich des Gesundheitszustandes vorliegen. Dadurch muss eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen sein. Diese Beeinträchtigungen müssen für den Arbeitgeber erheblich sein und nach einer umfassenden Interessenabwägung zu einer nicht mehr hinnehmbaren Belastung führen. Für häufige Kurzerkrankungen ergibt sich danach folgendes Prüfungsshema:

Die negative Gesundheitsprognose setzt voraus, dass objektive Tatsachen vorliegen, aufgrund derer die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang gerechtfertigt ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung ist der Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung. Danach eintretende Umstände oder Kausalverläufe (z.B. neue Therapiemöglichkeiten oder Arzneien) sind für die Wirksamkeit der Kündigung unerheblich. Da der Arbeitgeber oft die genaue Diagnose nicht kennt, reicht es zunächst aus, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzulegen und sich auf deren Indizwirkung für die Zukunft zu berufen. Der Arbeitnehmer muss dann Umstände vortragen, die diese Indizwirkung erschüttern z.B. durch Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht, weil diese die künftige Entwicklung positiv beurteilen. 

Die prognostizierten Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, z.B. Stillstand von Maschinen oder Überlastung des verbleibenden Personals. Des weiteren können sich wirtschaftliche Belastungen durch die Entgeltfortzahlungskosten ergeben. Diese sind aber nur erheblich, wenn die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers den gesetzlich vorgeschriebenen zeitlichen Rahmen von 6 Wochen überschreitet (§ 3 I Entgelt­fort­zahlungs­gesetz). Ausfallzeiten, für die keine Entgeltfortzahlungspflicht besteht, führen nicht zu wirtschaftlicher Belastung.

Liegen die Voraussetzungen der ersten und zweiten Stufe vor, ist in der dritten Stufe eine Interessabwägung vorzunehmen und zu prüfen, ob der Arbeitgeber die Beeinträchtigungen noch hinnehmen muss oder ob sie ein solches Ausmaß angenommen haben, dass die Fortführung des Beschäftigungsverhältnisses unzumutbar ist. Das Bundesarbeitsgericht hat sich bislang nicht auf bestimmte Prozentsätze oder absolute Fehlzeit festgelegt. Stützt sich der Arbeitgeber allein auf die Entgeltfortzahlungskosten, so müssen diese jedenfalls außergewöhnlich hoch sein. Als erheblich hat das Bundesarbeitsgericht 45 und 60 Tage Entgeltfortzahlung anerkannt. Des weiteren ist bei der Interessenabwägung zu prüfen, ob es dem Arbeitgeber möglich ist, die Beeinträchtigungen durch Überbrückungsmaßnahmen zu verhindern. Auf Seiten des Arbeitnehmers sind das Alter, die Betriebszugehörigkeit und evtl. Unterhaltspflichten zu berücksichtigen und ob die Erkrankung auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist.

 

2. Kündigung wegen krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit

In Fällen krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit muss der Arbeitgeber zunächst darlegen und beweisen, dass es dem Arbeitnehmer dauerhaft unmöglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (negative Gesundheitsprognose). Dadurch ergibt sich in der Regel auch die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Allerdings ist der Arbeitgeber verpflichtet, für den Arbeitnehmer einen leidensgerechten Arbeitsplatz frei zu machen, wenn ihm dies im Wege des Direktionsrechtes möglich ist. Der Arbeitnehmer kann aber nicht verlangen, dass ein solcher Arbeitsplatz geschaffen wird oder die Aufgaben entsprechend umverteilt werden.

 

3. Kündigung wegen lang andauernder Erkrankung

Bei Kündigungen wegen lang andauernden Erkrankungen ist vor allem die Abgrenzung zur dauernden Arbeitsunfähigkeit problematisch. Ist der Arbeitnehmer bereits über ein Jahr krank und ist die gesundheitliche Wiederherstellung völlig ungewiss, kommt es einer Arbeitsunfähigkeit gleich. In diesen Fällen gilt das zur dauernden Leistungsunfähigkeit ausgeführte. Sonst ist die gleiche Prüfung vorzunehmen, wie bei häufigen Kurzerkrankungen. Auf der zweiten Stufe (Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen) ist hier zu prüfen, ob die Ausfallzeiten nicht durch Einstellung einer Aushilfe überbrückt werden können. Dies muss der Arbeitgeber allerdings nur tun, wenn eine kurzfristige Einarbeitung möglich ist. Evtl. muss der Arbeitgeber auch unbefristet einen Arbeitnehmer einstellen, der dann nach Genesung des kranken Mitarbeiters betriebsbedingt zu kündigen ist.

 

4. Kündigung wegen krankheitsbedingter Minderung der Leistungsfähigkeit

Grundsätzlich folgt auch die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen krankheitsbedingter Minderung der Leistungsfähigkeit dem dreistufigen Prüfungsshema (s.o.). Die negative Gesundheitsprognose muss also zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Das BAG hat dies bei einer Arbeitsleistung von 2/3 der üblichen Normalleistung angenommen. Auch hier hat der Arbeitgeber vorm Ausspruch der Kündigung die Versetzungsmöglichkeit auf einen anderen Arbeitsplatz oder die Möglichkeit einer Reduzierung der Arbeitszeit zu prüfen

Nimmt die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers allein aufgrund seines fortgeschrittenen Alters ab, hat dies der Arbeitgeber hinzunehmen. Nur wenn die Leistung überdurchschnittlich abnimmt, kann eine Kündigung in Betracht kommen.

 

5. Ist eine Kündigung wegen Alkoholabhängigkeit möglich?

Arbeitsrechtlich ist Alkoholabhängigkeit wie eine Krankheit zu behandeln. Es gilt auch hier das dreistufige Prüfungsshema. Die negative Gesundheitsprognose ist hier in der Regel anzunehmen, da zugunsten des Arbeitgebers der Erfahrungssatz  gilt, dass der Abhängige ohne fremde Hilfe in absehbarer Zeit nicht geheilt wird.  Die betrieblichen Interessen sind dann erheblich beeinträchtigt, wenn es durch die Alkoholsucht des Arbeitnehmers regelmäßig zu schlechten Leistungen und Fehlzeiten kommt und dadurch der Arbeitsablauf gestört wird. Der Arbeitgeber muss aber vor einer Kündigung, zumindest bei langjährig beschäftigten Arbeitnehmern, die Alkoholprobleme in einem Personalgespräch ansprechen und dem Arbeitnehmer zu Vermeidung einer Kündigung anbieten, sich einer Therapie zu unterziehen. Ein weiterer Punkt bei der Interessenabwägung ist, ob die Alkoholsucht verschuldet ist. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nach einer zunächst erfolgreichen Therapie wieder zu trinken anfängt.

 

Lesen Sie mehr zum Thema Kündigung:

Alle wichtigen Vorlagen, Musterverträge und Arbeitshilfen

Zum Vorlagenshop >>

Kompetente Rechtsberatung per E-Mail oder per Telefon

Zur Rechtsberatung >>

Anwälte vor Ort | Am Telefon | Online
Die große Anwalt-Datenbank: Hier finden Sie den passenden Anwalt!
» Erweiterte Suche    » Suchen

Recht kann häufig sehr kompliziert sein. Vor allem juristische Laien verlieren schnell den Überblick im deutschen Paragraphen-Dschungel. Anwaltseiten24 deckt die bekanntesten und häufigsten Rechtsirrtümer und Verbraucherfallen auf. [mehr...]

Aktuelle Meldungen aus dem Arbeitsrecht

Beamtenstellung gestärkt: Keine Führungsämter auf Zeit

Karlsruhe (dpa) - Beamte müssen grundsätzlich auf Lebenszeit berufen werden - nur in Ausnahmefällen

 [mehr...]

Banker muss Anzug tragen: Reinigung nicht absetzbar

Saarbrücken (dpa) - Die Kosten für die Reinigung des Anzugs eines Bankangestellten sind nicht von de

 [mehr...]
Der Anwaltseiten24 Newsletter
Seien Sie stets über die neuesten Rechtsmeldungen informiert.

Gesetze, Verordnungen, Vorschriften, etc. regeln immer öfter das menschliche Zusammenleben.
Oft verzichten Menschen aus Angst vor hohen Prozesskosten auf ihr gutes Recht. Aus diesem Grund gibt es die Rechtsschutzversicherung. [mehr...]