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Trennungs-Unterhalt: Wieviel muss zum Leben bleiben?

Der Unterhalt zwischen Ehegatten ist nach einer Trennung immer wieder ein großes Streitthema. Schwierig wird es vor allem dann, wenn das Einkommen knapp ist und nicht ausreicht, um beiden Ehepartnern nach der Trennung den gewohnten Standard zu bieten.

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall trennten sich die Eheleute nach vierzig Jahren Ehe. Der Ehemann erhält eine Rente in Höhe von 1.350 € und die Ehefrau verdient sich mit einer Aushilfstätigkeit 250 € hinzu. Das Amtsgericht hatte den Ehemann zur Zahlung von 571 € verurteilt. Dieser wandte jedoch ein, daß ihm ein Selbstbehalt von 920 € bleiben müsse und er daher nur rund 415 € zahlen müsse. Die Berufung des Mannes blieb erfolglos. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Oberlandesgerichtes auf und verwies die Sache zur weiteren Verhandlung zurück.

Der BGH sah die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Ehemannes nicht ausreichend berücksichtigt. Grundsätzlich besteht eine Unterhaltspflicht nicht, soweit der Unterhaltschuldner infolge einer Unterhaltsleistung selbst sozialhilfebedürftig würde – dies folgt schon aus verfassungsrechtlichen Gründen.

Die finanzielle Leistungsfähigkeit endet jedenfalls dort, wo der Unterhaltspflichtige nicht mehr in der Lage ist, seine eigene Existenz zu sichern. Dieser Mindesselbstbehalt muss vom Gericht ermittelt werden. Dies kann anhand von  Erfahrungs- und Richtwerte geschehen, wenn sich aus dem Einzelfall keine besonderen Umstände ergeben. Der Selbstbehalt, der dem Unterhaltsverpflichteten darüber hinaus verbleiben muss, sollte im Regelfall in der Mitte zwischen dem notwendigen und dem angemessenen Selbstbehalt  (§ 1603 Abs. 1 und 2 BGB) liegen und ist vom Gericht im Einzelfall zu bestimmen.

Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Für die Bedarfsermittlung sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse konkret festzustellen, die den Lebensstandard während der Ehe bestimmt haben. Dieser Unterhaltsbedarf ist individuell und richtet sich nicht nach Tabellenwerten. Inhalt der Unterhaltspflicht ist es nicht, dem anderen Ehegatten unter allen Umständen das so genannte Existenzminimum zu sichern - das ist notfalls Sache des Sozialhilfeträgers, sondern nach Maßgabe des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB die Fortsetzung der, wenn auch engen, Lebensverhältnisse zu ermöglichen, die die Ehe prägten.

In Abweichung vom bisherigen „Stichtagsprinzip“, nach der die Rechtskraft der Ehescheidung für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse maßgeblich war, sollen nunmehr auch  nacheheliche Entwicklungen bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigt werden. So können sich Einkommensverbesserungen bedarfsteigernd auswirken, wenn ihnen eine Entwicklung zugrunde liegt, die aus der Sicht zum Zeitpunkt der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war und wenn diese Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse bereits geprägt hatte. Umgekehrt können auch nach der Scheidung eintretende Einkommensminderungen für die Bedarfsbemessung nicht grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn der Unterhaltsverpflichtete verletzt seine Pflicht zur Erwerbstätigkeit. Dies gilt für eine nach der Trennung eintretende Arbeitslosigkeit ebenso, wie für eine dauerhafte Absenkung des Einkommens. Es gibt keine die früheren ehelichen Lebensverhältnisse unverändert fortschreibende garantierte Lebensstandardgarantie. Das Unterhaltsrecht will den bedürftigen Ehegatten nach der Scheidung wirtschaftlich im Grundsatz nicht besser stellen, als er ohne die Scheidung stünde. Bei Fortbestehen der Ehe hätte ein Ehegatte die negative Einkommens­entwicklung des anderen Ehegatten wirtschaftlich auch mit zu tragen. Für den Trennungsunterhalt ergibt sich das schon daraus, dass die ehelichen Lebensverhältnisse durch die Entwicklung bis zur Rechtskraft der Scheidung geprägt werden.

BGH, Urteil vom 15. März 2006 - XII ZR 30/04
(Caren von der Heydt, Rechtsanwältin, Hamburg)

 

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